ᐅ Zurückbehaltungsrecht: Definition, Begriff und Erklärung im JuraForum.de (2024)

Inhaltsverzeichnis

  • I. Allgemeines
  • II. Die Zurückbehaltungsrechte des BGB
  • 1. Einrede des ZBR nach § 273 BGB
  • 2. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB
  • 3. Das ZBR des Besitzers nach § 1000 BGB
  • 4. Das ZBR aus § 242 BGB
  • III. Das kaufmännische ZBR des HGB

ᐅ Zurückbehaltungsrecht: Definition, Begriff und Erklärung im JuraForum.de (1)
Zurückbehaltungsrecht (© bennetsteiner - Fotolia.com)


Das Zurückbehaltungsrecht (kurz: ZBR) ist eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB. Es handelt sich dabei um das Recht des Schuldners, die ihm obliegende Leistung solange zu verweigern, bis der Gläubiger eine andere, ihm dem Schuldner gegenüber obliegende Leistung erbracht hat. Das Zurückbehaltungsrecht ist eine Einrede, die geltend gemacht werden muss.

I. Allgemeines

Das allgemeine Zurückbehaltungsrecht ist als besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben in § 273 BGB [Bürgerliches Gesetzbuch] speziell geregelt. Daneben gibt es jedoch auch besondere Zurückbehaltungsrechte, etwa den § 320 BGB bei gegenseitigen Verträgen oder den § 1000 BGB im Falle eines sog. Eigentümer-Besitzer-Verhältnisses (kurz: EBV).

Ein Zurückbehaltungsrecht vermittelt dem Schuldner das Recht, die ihm obliegende Leistung solange zu verweigern, bis der Gläubiger eine andere, ihm dem Schuldner gegenüber obliegende Leistung erbracht hat. Es handelt sich dabei um eine rechtshindernde Einwendung, also um eine sog. Einrede, die der Schuldner geltend machen muss, damit das Recht überhaupt greift.

Das Zurückbehaltungsrecht unterliegt jedoch der Vertragsautonomie. Es ist also disponibel, d.h. es besteht grundsätzlich die Möglichkeit das Zurückbehaltungsrecht vertraglich auszuschließen. Solche Vereinbarungen werden allerdings ebenso durch die §§ 307 ff. BGB zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen [AGB] beschränkt.
Ein Ausschluss kann sich aber auch aus der Natur der Sache ergeben, etwa bei Unterhaltsansprüchen.

II. Die Zurückbehaltungsrechte des BGB

1. Einrede des ZBR nach § 273 BGB

Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 273, 274 I BGB:

  1. Schuldverhältnis
    Zwischen den Parteien muss ein Schuldverhältnis bestehen, grundsätzlich ist § 273 BGB aber bei allen Arten von Schuldverhältnissen anwendbar.
  2. Gegenseitige Ansprüche
    Der Schuldner der Leistung muss zugleich auch Gläubiger des Gegenanspruchs sein – und umgekehrt.
    Ausnahmen ergeben sich beispielsweise aber dann, wenn eine der Parteien ihren Anspruch an einen Dritten abtritt, denn dann kann die Gegenpartei ihre Einrede gem. § 404 BGB auch dem Dritten entgegenhalten. Gleiches gilt auch bei einem Vertrag zugunsten Dritter gem. §§ 328 ff. BGB, da § 334 BGB eine dem § 404 BGB vergleichbare Norm darstellt.
  3. Wirksamer, fälliger und durchsetzbarer Gegenanspruch
    Der Anspruch des Schuldners muss wirksam zustande gekommen, fällig i.S.d. § 271 BGB sowie durchsetzbar sein. Durchsetzbarkeit meint insoweit, dass der Gläubiger seinerseits keine Einreden erhoben hat.
  4. Konnexität
    d.h. zwischen beiden Ansprüchen muss ein innerer natürlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang in der Weise bestehen, dass es gegen Treu und Glauben verstoßen würde, wenn der eine Anspruch ohne Rücksicht auf den anderen geltend gemacht und durchgesetzt werden könnte.
  5. Kein Ausschluss des ZBR
    Das Zurückbehaltungsrecht darf nicht ausgeschlossen sein (vgl. auch oben). Ein solcher Ausschluss kann sich aber nicht nur durch Vereinbarung oder aufgrund der Natur der Sache ergeben, sondern auch aufgrund gesetzlicher Regelungen (bspw. gem. § 175 BGB – gesetzliche Aufrechnungsverbote führen dagegen grundsätzlich nicht zu einem Ausschluss des ZBR) oder durch einen Verstoß des Grundsatzes von Treu und Glauben nach § 242 BGB.
  6. Erhebung der Einrede
    d.h. der Schuldner muss die Einrede geltend machen.

Rechtsfolgen:

Die Leistungen werden gem. § 274 Absatz 1 BGB Zug-um-Zug ausgetauscht. Darüber hinaus wird ein etwaiger Verzug des Schuldners beendet, wobei die Einrede aber nur ex nunc wirkt. Die Fälligkeit der Forderung wird hingegen nicht beseitigt.
Umstritten ist die Frage, inwieweit ein Zurückbehaltungsrecht aus § 273 BGB ein Recht zum Besitz i.S.d. § 986 BGB vermittelt, insbesondere mit Blick darauf, dass es sich dabei um ein selbstständiges Gegenrecht handelt, das erst geltend gemacht werden muss.

2. Die Einrede des nicht erfüllten Vertrags nach § 320 BGB

Voraussetzungen des Zurückbehaltungsrechts nach §§ 320 Absatz 1, 322 Absatz 1 BGB:

  1. Gegenseitiger Vertrag mit synallagmatische Verknüpfung der gegenseitigen Leistungspflichten
    Im Unterschied zu § 273 BGB muss bei § 320 BGB ein sog. synallagmatischer Vertrag vorliegen. Ein solcher gegenseitiger Vertrag liegt immer dann vor, wenn die zurückgehaltene Leistung das Entgelt für die geforderte Leistung darstellt (bspw. ein Kaufvertrag).
  2. Wirksame, durchsetzbare und fällige Gegenforderung (vgl. oben)
  3. Eigene Vertragstreue [ungeschriebene Voraussetzung]
    Der Schuldner muss also einerseits am Vertrag festhalten wollen und andererseits auch gewillt sein, die ihm obliegende Leistung zu erbringen.
  4. Nichterfüllung durch den anderen Teil
    Mit Ausnahme von § 320 Absatz 2 BGB kann der Schuldner bei einer teilweisen Leistung seine gesamte Gegenleistung verweigern.
    Bei einer mangelhaften Leistung kann er diese zurückweisen und sodann die Einrede aus § 320 BGB geltend machen.
  5. Kein Ausschluss der Einrede (vgl. oben)
  6. Erhebung der Einrede (vgl. oben)

Rechtsfolge: Leistung Zug-um-Zug, § 322 I BGB

3. Das ZBR des Besitzers nach § 1000 BGB

Liegt zwischen Schuldner und Gläubiger ein sog. Eigentümer-Besitzer-Verhältnis nach §§ 987 ff. BGB vor, so kann nach § 1000 Satz 1 BGB der Besitzer (als Schuldner) die Herausgabe der Sache verweigern, bis er wegen der ihm zu ersetzenden Verwendungen befriedigt wird. § 1000 Satz 2 BGB enthält dazu eine besondere Ausschlussregelung für die Fälle, in denen der Besitzer die Sache durch eine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung erlangt hat.

4. Das ZBR aus § 242 BGB

Ein Zurückbehaltungsrecht kann sich aber auch aus § 242 BGB ergeben, wenn kein spezielleres ZBR vorliegt, eine Leistung des Schuldners ohne entsprechende Gegenleistung des Gläubigers einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben darstellen würde.

III. Das kaufmännische ZBR des HGB

Das Handelsgesetzbuch [HGB] kennt darüber hinaus ein besonderes kaufmännisches Zurückbehaltungsrecht, das in den §§ 369 ff. HGB geregelt ist. Dieses ZBR ist im Grunde mit dem ZBR des § 273 BGB vergleichbar, verzichtet jedoch auf eine erforderliche Konnexität.
Zu beachten ist die etwas unglückliche Formulierung des § 369 Absatz 1 HGB, der nämlich vom „Gläubiger“ und nicht wie § 273 Absatz 1 BGB vom „Schuldner“ spricht.

Voraussetzungen des kaufmännischen Zurückbehaltungsrechts nach § 369 HGB:

  1. Kaufleute
    Sowohl Gläubiger als auch Schuldner müssen Kaufleute sein.
  2. Gegenstand des kaufmännischen ZBR
    Das Zurückbehaltungsrecht aus § 369 HGB ist nur auf bewegliche Sachen und Wertpapiere anwendbar und damit enger als § 273 BGB.
  3. Im Besitz des Gläubigers
    Der Besitz muss mit Willen des Schuldners begründet worden sein, und zwar aufgrund von Handelsgeschäften.
  4. Im Eigentum des Schuldners
    Ausnahmsweise
    kann nach § 369 Absatz 1 Satz 2 HGB auch ein ZBR an Sachen bestehen, die sich im Eigentum des Gläubigers befinden, aber auf den Schuldner zu übertragen und deshalb wirtschaftlich zu seinem Vermögen zu zählen sind.
  5. Fälligkeit der Forderung
    Die Forderung muss zwar nicht konnex sein, aber aus einem zwischen Gläubiger und Schuldner geschlossenen beiderseitigen Handelsgeschäften stammen. Darunter fallen nicht nur primäre Leistungsansprüche, sondern auch solche, die in ihnen ihren Rechtsgrund haben, etwa wegen einer Pflichtverletzung i.S.d. §§ 280 ff. BGB oder auch Bereicherungsansprüche gem. §§ 812 ff. BGB.
  6. Kein Ausschluss des Zurückbehaltungsrechts (vgl. oben; § 369 Absatz 3 HGB)

Rechtsfolgen:

Zunächst findet § 274 BGB analog Anwendung, d.h. Leistung Zug-um-Zug.
Gegenüber Dritten wirkt das Zurückbehaltungsrecht aber nach § 369 Absatz 2 HGB nur insoweit, als diesen Einwendungen gegen den Herausgabeanspruch des Schuldners entgegengesetzt werden können.
§ 369 HGB begründet auch ein pfandartiges Befriedigungsrecht am zurückbehaltenen Gegenstand (vgl. § 371 HGB). Außerdem einem Pfandrecht ähnlich berechtigt das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht im Insolvenzverfahren des Schuldners den Gläubiger der gesicherten Forderung zu abgesonderten Befriedigung aus dem zurückbehaltenen Gegenstand (vgl. § 51 Nr. 3 InsO [Insolvenzordnung]).


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